Spargeln im Januar oder Erdbeeren im Februar. Eigentlich ist es ja klar: Um diese Produkte zu produzieren, muss es deutlich wärmer sein als hier, sei es draussen oder im Gewächshaus. Und das bedeutet, dass alle diese Früchte und Gemüse einen richtig grossen CO2-Rucksack für Anbau und Transport mit sich tragen. Doch wie steht es mit Blumen Woher kommen denn Tulpen im Dezember? Oder all die viel zu früh blühenden Pflanzen und Büsche, die uns in den Läden fröhlich entgegenwinken?
Kauf mich, ich bin der Frühling! Ich bringe Farbe und gute Stimmung zu dir nach Hause. Dass uns nach Monaten von eintönigem Weiss, Braun und Grau der Sinn nach Licht und Farbe steht, ist ja verständlich. Doch beim Blick nach draussen wird uns auch bewusst – das ist wohl ähnlich wie mit den Erdbeeren im Februar. Diese CO2-Rechnung kann nicht aufgehen, oder? Stimmt so nicht ganz, denn wir können sie zumindest deutlich klimafreundlicher gestalten!
Was haben wir dabei für Alternativen
Das ist mein Freund Alex. Er führt ein kleines Garten- und Floristikcenter unweit von Winterthur.Eine Pflanzenmanufaktur, wie er es nennt. Und obwohl Alex grosser Fan der Punkrocker «Die Toten Hosen» ist, herrscht in seinen eigenen Gewächshäusern keineswegs tote Hose.
Alex und seine Frau sind echte Profis und führen ihre Gärtnerei mit Blumenladen als Familienbetrieb seit über 15 Jahren. Meine eigenen Daumen sind nicht ganz so grün, also habe ich mich mit den Fragen zu Pflanzen und Klima an sie gewandt.
Beim Intensivbesuch hinter den Kulissen staune ich, wie komplex das tägliche Geschäft mit Samen, Setzlingen, Pflanzenaufzucht, Schnittblumen, Wohnungspflanzen, Kräutern, Büschen, Bäumchen, Erde und Dünger ist. Und wie schwer es ist, etwas Geld damit zu verdienen und trotzdem unsere Umwelt und unser Klima zu schonen. Alex, der selbst am liebsten mit Hingabe «im Dräck grüblet», wie er das nennt, kann mir die Probleme sehr gut erklären. Und Lösungen für unser Dilemma aufzeigen. Die klimarelevantesten Themen sind schnell erkannt.
Pflanzen von hier statt von dort
Das Gros der hierzulande angebotenen Pflanzen stammt aus Intensivzuchten in diversen Ländern. Wie bei allen Massenproduktionen wird dabei eine grosse Menge an Ressourcen wie Wasser und Energie verbraucht. Und viel Abfall produziert. Damit die Pflanzen bei der Ankunft im Gartencenter bereits blühen, werden sie aussersaisonal in riesigen Gewächshäusern produziert anschliessend in Lastwagen durch ganz Europa gefahren.
Alex produziert 90% – jährlich rund 100’000 Pflanzen – in seinem eigenen Betrieb. Im Fall von Wetterkapriolen ein Wagnis, denn das Wachstum lässt sich nur begrenzt beeinflussen oder verzögern. Sein Motto: «Pflanzen von hier, statt von dort» bedeutet jedoch eine grosse Einsparung von Ressourcen und damit markant weniger CO2–Ausstoss. Der Betrieb wird laufend von einer Energieagentur kontrolliert und nach und nach auf klimafreundliche Technologien wie Erdsondenheizung umgestellt.
Was er nicht selbst produziert, wie etwa Kräuter, kauft er ausschliesslich bei spezialisierten Familiengärtnereien in der Region ein. Das funktionierende Netzwerk gewährleistet kurze Transportwege und gleichbleibende Qualität.
Pflanzen im eigenen Garten ziehen
Statt fertige Pflanzen zu konsumieren, kann man auch aussäen und Pflanzen selbst aufziehen. Zwiebeln von Tulpen, Hyazinthen oder Allium sind mehrjährig und lassen sich leicht überwintern. Eine reiche Auswahl an verfügbaren Samen erlaubt es, den Garten klimafreundlich und abwechslungsreich zu gestalten. Auch ProSpecieRara-Pflanzen sind erhältlich. Der lohnenswerte Besuch des Schlosses Wildegg in der Nähe von Lenzburg (AG) zeigt, wie wunderbar so ein Garten aussehen kann.
Auch bei der Erde kann man CO2 einsparen. Zwar ist in der Schweiz der Abbau von Torf verboten, doch in anderen europäischen Ländern ist er immer noch erlaubt. So werden jährlich viele tausend Tonnen importiert und das meiste davon unnötig im privaten Gartenbau verbraucht.
Der Schweizer Marktführer Ricoter bietet die ganze Palette von Erden torffrei und aufbereitet an. Die Erde in blauen Verpackungen oder speziell gekennzeichneten Paketen wird direkt in der Schweiz produziert. Die Erde ohne Kennzeichnung wird allerdings in Deutschland hergestellt und per Lastwagen in die Schweiz transportiert.
Doch was ist nun mit den Tulpen?
Schnittblumen sind tatsächlich das leidigste Thema bezüglich Klimaschutz. Wer aber nicht auf den Strauss zum Valentinstag, Muttertag oder anderen Ereignissen verzichten möchte, sollte darauf achten, Blumen aus regionalem oder klimaneutralem Anbau zu kaufen. Bei guten Gärtnereien wird zudem auf eine fast 100%ige Verwertung von Schnittblumen geachtet. Und saisonal kann man auf Pflanzungen zum Selberschneiden ausweichen.
So wächst und blüht es klimafreundlicher
Ganz einfach – weniger Massenprodukte, mehr Selbstanbau. Dazu die sorgfältige Auswahl der Gärtnerei und der Pflanzen, Blumen und Erde beim Einkauf. Das ermöglicht es uns allen, einen klimafreundlicheren Garten oder Balkon zu unterhalten. Und je mehr Konsument*innen die entsprechenden Produkte nachfragen, desto grösser wird auch das Angebot werden.
Ein Artikel von Heinz Fehlmann