Seit der Covid-19-Krise arbeiten viele Menschen von zu Hause aus und Hochrisikogruppen und andere versuchen, unnötige Fahrten mit dem ÖV zu vermeiden. Als Folge ist die Zahl der Fahrgäste, die mit dem ÖV unterwegs sind, so tief wie seit Jahren nicht mehr. Keine Frage: Die Krise hat viele Menschen veranlasst, die Art und Weise, wie wir arbeiten und reisen, zu hinterfragen.
Studien vor 2020 belegen, dass der Verkehr in der EU und den USA zu 25% bis 30% der gesamten Treibhausgasemissionen beiträgt, wovon Strassenfahrzeuge für rund 70% dieser Emissionen verantwortlich sind. Der Ausbruch von Covid-19 führte zu einem starken Rückgang der insgesamt zurückgelegten Kilometer und damit zu einer Verringerung der Verkehrsemissionen, wobei aber auch Nebenwirkungen aufgetreten sind. So wechselten beispielsweise viele Personen vom ÖV zum Auto. Studien zeigen, dass die Zahl der Passagiere pro Auto im Durchschnitt nur 1,46 Personen beträgt. Dies führt zu hohen CO2-Emissionen und vergrössert das Platzproblem in den Städten.
Eine Möglichkeit, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, sind Elektrofahrzeuge. Der erfolgreiche Aufstieg von Tesla zum wertvollsten Automobilunternehmen der Welt zeigt, dass Elektrofahrzeuge heute ernst genommen werden und nicht länger ein Nischenthema der Nachhaltigkeit sind. Doch was für Alternativen gibt es für die individuelle Mobilität, die nicht nur das CO2-Emissionsproblem, sondern auch das Platzproblem in Städten lösen?
Das Jahr der E-Scooter
Man sieht sie an jeder Strassenecke: E-Scooter. Allein in Zürich gibt es derzeit mit Tier, Bird, Limebike und Voi vier Anbieter. Von diesen war Limebike als erstes in Zürich präsent (seit 2018).
Im Jahr 2012 brachte Scoot Networks die ersten E-Scooter auf den US-Markt. Das Innovative an den elektrischen Rollern war, dass sie an praktischen Standorten in der Stadt abgeholt werden und nach Gebrauch an einem beliebigen Ort deponiert werden konnten, wobei die Roller per App gestartet und gestoppt wurden.
Diese Innovation löst auf geschickte Weise die «Last-Mile-Problematik», bei der Personen von wichtigen Knotenpunkten wie Bahnhöfen schnell und effizient zu ihrem Zielort gelangen müssen. Hersteller von Elektrorollern, weisen deren Umweltfreundlichkeit durch Emissionseinsparungen pro Fahrt aus, die in den Zahlungsbelegen aufgeführt sind. Das gibt den Nutzern das Gefühl, emissionsfrei unterwegs zu sein, wenn sie dieses praktische Transportmittel nutzen.
Doch sind E-Scooter wirklich klimafreundlich?
Aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet, schneiden die Miet-Elektroroller nicht so gut ab. Eine Studie ergab, dass die bei der Fahrt erzeugten Emissionen zwar gering sind, dass aber 50% der gesamten CO2-Emissionen bereits bei der Herstellung entstehen und weitere 43% beim Einsammeln der Roller mit tiefem Akkustand durch LKWs. Der Grund für den hohen Anteil der Herstellung an den Gesamtemissionen, liegt bei der kurzen Lebensdauer der Roller von nur einem Jahr – meist wegen Vandalismus und mangelnder Pflege. Laut einem Bericht wurden beispielsweise in nur einem Monat 60 Roller aus dem kalifornischen Lake Merritt gezogen.
Der E-Bike-Boom
Gross im Trend – in diesem Jahr wurde daraus ein eigentlicher Boom – sind E-Bikes. Obwohl sie im Vergleich zu konventionellen Fahrrädern mehr CO2-Emissionen erzeugen, haben E-Bikes auch klare Vorteile. Mit einer Reichweite von bis zu 100 km und einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h sind E-Bikes eine praktische Alternative zum Auto und zum ÖV. Zudem geniesst man die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens, ohne dass gleich Anstrengungen wie bei einer Tour de France vonnöten sind. Ein weiterer Vorteil von E-Bikes ist, dass sie in der Stadt weniger Platz brauchen als Autos.
Wie klimafreundlich sind E-Bikes wirklich?
Es gibt zwar nur wenige Studien, welche die Emissionen von E-Bikes über den gesamten Lebenszyklus hinweg berücksichtigen, doch Auswertungen über die Nutzung sind aufschlussreich: So berechnete jemand, dass das Auto auf einer Strecke von 1600 Kilometern 333 kg CO2-Emissionen verursacht, das E-Bike dagegen nur gerade 3 kg. Wer kein E-Bike kaufen möchte, kann einfach eines mieten. Immer mehr Anbieter wie Bond oder Publibike bieten in den Städten App-basierte E-Bike-Lösungen an. Entscheidend für das Klima ist aber nicht nur das wachsende Angebot an Elektrofahrzeugen, sondern auch unser Verhalten, wie wir die neuen Fortbewegungsmittel in unseren Alltag integrieren.
Wie deine Mobilität klimafreundlich wird
Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Mobilität klimafreundlicher zu gestalten. Die folgenden Tipps können dir helfen, deine Mobilität zu hinterfragen und Schritt für Schritt anzupassen:
- Autos mögen in gewissen Situationen ihre Vorteile haben, aber wenn du deine Abhängigkeit vom Auto zum Beispiel mit einem E-Bike reduzieren kannst, ist dies eine Überlegung wert.
- ÖV sind klimafreundlicher als ein Privatauto, verursachen keinen Stau und benötigen keinen Parkplatz. Darum sollten sie – wenn immer möglich – Teil der individuellen Mobilität sein.
- Ist das Benützen eines Autos unumgänglich, können Carsharing-Angebote wie Mobility in Betracht gezogen werden, um die Gesamtemissionen zu reduzieren.
- Halte Ausschau nach Elektrofahrzeugen und trage gemeinsam genutzten Transportmitteln Sorge.
- Wenn du regelmässig E-Bikes oder E-Scooter nutzt, überlege dir, in ein eigenes Modell zu investieren. Mit Gegenständen, die wir besitzen gehen wir meist sorgfältiger um. Somit kann sich die Lebensdauer des Fahrzeuges deutlich verlängern. Auch wenn ein Tesla finanziell unerreichbar sein mag, könnten E-Bikes und E-Scooter im Rahmen des Budgets liegen.
- Letztlich bist du zu Fuss oder mit einem normalen Velo immer noch klimafreundlicher unterwegs als mit einem E-Bike oder E-Scooter. Könntest du für die paar hundert Meter nicht auch zu Fuss gehen oder das Fahrrad nehmen – und etwas für deine Fitness tun?
Was bedeutet das alles für deine Mobilität?
Gemäss Studie erzeugen Elektroroller rund halb so viel CO2-Emissionen wie ein durchschnittlicher Personenwagen. Damit sind die Einsparungen bei weitem nicht so gross, wie von den Anbietern oft dargestellt.
Was die Emissionen von E-Bikes betrifft, gibt es nur wenige Studien, die den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen. Zweifellos können sie eine nachhaltigere, kostengünstigere und genauso bequeme Alternative zum eigenen Auto sein.
Die Coronakrise war ein Auslöser um darüber nachzudenken, wie viel wir wirklich pendeln und reisen müssen. Mit dem wachsenden Angebot an Elektrofahrzeugen haben wir zudem mehr Möglichkeiten als je zuvor, eine klimaschonende Gesamtlösung für unsere individuelle Mobilität zu finden. Jetzt liegt es an uns, diese Optionen sinnvoll in unseren Alltag zu integrieren. Jede und jeder von uns kann einen wertvollen Beitrag leisten!
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